Die Sage vom Krähenpfuhl
In alter Zeit soll beim Krähenpfuhl ein Schloss gestanden haben, das von einem gottlosen wüsten Ritter bewohnt wurde. Durch seine Jäger ließ er Frauen und Mädchen rauben und auf sein Schloss schleppen. Eines dieser Mädchen, Christine Rohen aus Albaum, leistete ihm unüberwindlichen Widerstand. Er wollte sie aber zwingen, wie man einen Fuchs oder Falken zähmt. Tag und Nacht stiegen die Tränen und Klagen des Mädchens um Schutz und Hilfe zum Himmel. Der christliche Glaubensbote, der Christine getauft hatte, stieg kühn zum Schloss empor und hielt dem Ritter seine Frevel vor. Der aber lachte nur über die Warnungen und Drohungen des Gottesmannes und ließ ihn mit Hunden aus der Burg hetzen. Spät am selben Abend bebte der Stüvelhagen in seinen Grundfesten. Ein grollendes Unwetter stieg rasch empor und ließ die Erde unter wuchtigen Schlägen Wanken. Grelle Blitze umzüngelten das Schloss, leckten an Tür und Tor und schmolzen die Riegel. Mit fliegenden Haaren floh Christine aus dem Kerker und sprang in den breiten, die Burg umgebenden Graben. Das brennende Schloss wankte und sank in die Fluten, die Mann und Maus verschlangen. Am anderen Morgen wogten die Wellen an der Stelle, wo zuvor die Burg gestanden, und auf dem Wasser trieb der Körper des entführten Mädchens. Als die entsetzten Eltern, die herbeigeeilt waren, ihr Kind herausgezogen und auf den Rasen gelegt hatten, schlug es die Augen auf und sprach: „Weine nicht, Mutter, der Ritter tat mir nichts!“ Dann hauchte es seine engelreine Seele aus. Der Leichnam Christinas wurde in Kirchhundem begraben, wo man ihn später beim Bau der alten Kirche unverwest gefunden hat.
Es wird vermutet, dass sich in der Sage die Erinnerung an eine in früher Zeit hier am Krähenpfuhl geschehene Bluttat an einer jungen Frau zeigt. Im Laufe von Generationen könnte sich die Erzählung durch Ausschmückungen dahin verändert haben, dass aus einer Fuhrmannsgaststätte, die vormals hier gestanden haben mag, ein Schloss und aus dem Mörder ein Raubritter wurde.
(Quelle: Josef Rinscheid. Geschichte der Pfarrei Kohlhagen. Olpe 1933. Johannes Neuhaus-Dobbener: Überlieferungen aus dem Flape- und Albäumertal, insbes. über die Sage vom Krähenpfuhl. Heimatstimmen aus dem Kreise Olpe, 11. Folge 1953. S. 704ff. )